Gestörte Behaglichkeit
Die Häufigkeit der Klagen Ratsuchender zu ungenügender thermischer Behaglichkeit zeigt, welchen Stellenwert ein gesundes, störungsfreies Raumklima hat.

Ratsuchende berichten mir in persönlichen Gesprächen über Behaglichkeitsstörungen, z.B. über kalte Füße trotz angemessener Raumlufttemperatur. Auch über das Gefühl, am Boden oder in Wandnähe einen kühlen Luftzug zu spüren, wird gesprochen. Allgemeiner wird von einem unangenehmen Kältegefühl in bestimmten Zimmern berichtet. Vor einer Außenwand sitzend beschreiben viele Menschen den Eindruck, als ob ihnen ein feuchter kalter Lappen auf die Schultern gelegt worden wäre.
Dies sind Signale, die auf ein Ungleichgewicht der physikalischen Größen hinweisen, die die thermische Behaglichkeit beeinflussen. Betroffen sind fast immer Mieter und Eigentümer jener Gebäude und Wohnungen, die viele Wärmebrücken bzw. eine insgesamt schwache Wärmedämmung besitzen. Diese Wohnungen weisen zudem immer auch verhältnismäßig hohe Heizkosten auf.
#Einfluss der Lufttemperatur auf die empfundene Behaglichkeit
Vielfach wird thermische Behaglichkeit ausschließlich mit der Höhe der Temperatur der Raumluft in Verbindung gebracht. Das ist auch nachvollziehbar. Schließlich ist die anteilige Wärmeabgabe des menschlichen Körpers vor allem abhängig von der Höhe der Lufttemperatur im Wohnraum. Je niedriger sie ist, um so mehr steigt die Wärmeabgabe durch Wärmestrahlung und Konvektion der Person. Je höher sie ist, um so mehr Wärme wird durch Verdunstung über die Atmung oder die Haut abgegeben.
Wer jedoch glaubt, dass im Winter in erster Linie die Lufttemperatur Behaglichkeitsprobleme verursacht, lässt die Oberflächentemperaturen der Hüllflächen (Wände, Decke, Boden, Verglasungen u.a.m.) außer Acht. Wenn es einen bei akzeptablen Lufttemperaturen fröstelt, sind meist die Oberflächentemperaturen zu niedrig. Sie liegen in vielen Fällen um mehr als 6 oder 7 Grad unter der Raumlufttemperatur. Leider ist die Temperatur von Oberflächen nicht mit einem einfachen Thermometer messbar, weshalb die meisten Bewohner die wichtigen Oberflächentemperaturen auch nicht kennen. Hierzu braucht man ein Infrarothermometer, das aber in ausreichender Genauigkeit schon für 15 € zu haben ist.

Während sich die Lufttemperaturen meist bequem messen und einstellen lassen, ist die Veränderung der Oberflächentemperaturen der Hüllflächen mit einfachen Mitteln kaum möglich. Denn ihre Höhe ergibt sich aus der im Winter niedrigen Temperatur der Außenluft und der Raumluftemperatur im Innenraum, ist aber auch abhängig von den Eigenschaften der Konstruktion. Zwar lässt eine höher eingestellte Lufttemperatur im Raum auch die Oberflächentemperaturen steigen, aber die Wirkung ist begrenzt und es dauert mehrere Stunden bis man etwas davon merkt. Hier hilft einzig und allein die Verbesserung der Wärmedämmung.
Die bei schwacher Wärmedämmung der Außenwände und Fenster unweigerlich entstehenden niedrigen Oberflächentemperaturen verursachen bei normalen Heizkörpern Unterschiede der Lufttemperatur zwischen Kopf und Füßen von mehreren Grad. Sie können das Behaglichkeitsempfinden erheblich beeinträchtigen, weil in der Folge eine oft unangnehme Luftströmung am Boden zu spüren ist. Besonders hoch sind die Temperaturunterschiede in Räumen mit Heizkörpern, die einem hohen konvektiven Anteil (Warmluftauftrieb) bei der Wärmeentwicklung aufweisen oder bei einem Standort der Heizkörper an Innenwänden.
#Niedrige Oberflächentemperaturen
Wie nachfolgende Abbildung eines Wandquerschnittes zeigt, beträgt die innere Oberflächentemperatur einer 36 cm starken Normalziegelwand (60er Jahre) bei winterlichen Bedingungen um -10°C nur 13,9 °C. Ist die Wand nur 24cm stark, sind es gerade einmal 12 °C. In den Raumecken, also dort wo zwei Außenwände zusammen stoßen, kann die Temperatur auf etwa 10° C und tiefer absinken, wie wir im Foto weiter oben gesehen haben. Schon bei 12°C Oberflächentemperatur, gemessen inWandmitte steigt die relative Luftfeuchtigkeit unmittelbar über der Oberfläche auf 74%. In den Ecken ist dann Schimmelbildung möglich.


Besonders dort, wo z.B. eine schwache Wärmedämmung der Außenwand auf eine schlechte thermische Qualität von Verglasungen trifft, führt die Situation zu einem ausgeprägten, ungemütlichen Strahlungsungleichgewicht. Was immer dann der Fall ist, wenn ein Körper deutlich wärmer ist als die Oberflächen der Umgebung. Das trifft auch auf unsere Körper zu, so dass wir stetig Wärmestrahlen in Richtung kühlerer Hüllflächen senden. Wir spüren, dass uns andauernd Strahlungswärme entzogen wird. Die von uns "abgezogene" Strahlungsenergie wird um so größer, je höher der Temperaturunterschied ist. Es fühlt sich bei krassen Verhältnissen an, als säße man im T-Shirt bei 20 °C vor einem Eisblock. In einem solchen Raum möchte man nicht auf dem Sofa sitzen, welches neben dem Fenster an der Außenwand steht. Man wäre dann immer versucht, die Lufttemperatur im Raum zu erhöhen. Doch selbst bei 24 °C Raumlufttemperatur steigt die Oberflächentemperatur schwach gedämmter Außenwände nur auf etwa 17°C - und dafür braucht es sehr lange. Und selbst wenn diese 17°C erreicht wären, fühlt es sich immer noch nicht behaglich an. Dafür aber steigen die Heizkosten - und zwar erheblich.
Sucht man nach Auswegen aus diesem Zustand zeigt sich, wie vielschichtig und komplex das Thema Behaglichkeit ist. Leider gewöhnen sich viele Menschen nicht selten an dauerhafte Beeinträchtigungen der thermischen Behaglichkeit, an kalte Wände, zu hohe Luftfeuchtigkeit und ungesunde Luft. Krankheiten können die Folge sein.
#Kaltluftfall

Sehr häufig ruft der sogenannte Kaltluftfall Behaglichkeitsstörungen hervor. Der Kaltluftfall entsteht, wenn sich warme Raumluft an schwach gedämmten und daher kühleren Außenwänden oder kalten Scheiben abkühlt. Die Luft wird dadurch schwerer, fällt nach unten und setzt so eine Kaltluftströmung am Boden in Gang. Es ist leicht vorstellbar, dass es in einem solchen Bereich zu kalten Füßen kommt.
Der Kaltluftfall ist vor allem bei hohen Fenstern zu beobachten, besonders wenn es darunter bzw. davor keinen Heizköper gibt. Das ist bei bodentiefen Fenster meistens der Fall. Je höher die Fenster und umso schlechter deren Wärmedämmung, desto intensiver ist der Fallluftstrom. So verhält es sich auch an einer Wand mit Glasbausteinen.

Eine häufige Behaglichkeitsstörung durch Kaltluftfall entsteht in Maisonette Wohnungen, also Wohnungen mit zwei Etagen, die meist das oberste und das Dachgeschoss umfassen. Hier sind es die Treppe und die umliegenden Bereiche, wo ein Kaltluftstrom spürbar wird. Dieser wird in aller Regel durch eine schwache Wärmedämmung der Wände und Fenster im Dachgeschoss verursacht.
Aber auch eine Kaltluftströmung in entgegengesetzter Richtung kann entstehen. Das ist der Fall, wenn es im Dachgeschoss eine Reihe von Luftundichtheiten gibt, z.B. durch Steckdosen, Vorwandinstallationen, Durchdringungen von Schornsteinen oder Rohrleitungen. Durch diese Leckagen strömt warme Raumluft durch die Undichtheiten nach draußen. Kalte Außenluft wird durch den wirkenden Unterdruck über allerlei Fugen von überall her nachströmen.
#Luftundichtheiten

Hiermit sind wir bei einer besonders unangenehmen, weil schlecht zu lokalisierenden Ursache kühler Luftbewegungen, den Undichtheiten in der baulichen Hülle. Wie entsteht hier ein unangenehmer Luftzug? An den Heizköpern erwärmte Luft steigt im Haus nach oben. Abfließen kann die warme Raumluft über die Dachtreppe, Dachflächenfenster, undichte Dämmschichten u.a.m.. Durch den entstehenden Unterdruck wird im unteren Teil eines Hauses oder auch einer Wohnung kühlere Außenluft durch Öffnungen aller Art angesaugt. So kommt ein regelrechter "Strömungsaufzug" in Gang. Als bekannte Einströmungen kommen die undichte Hauseingangstür, der Briefschlitz, die Kellertür, undichte Fenster u.v.a.m. in Frage. Aber nicht nur der mit der Lufterwärmung verbundene Unterdruck kann ungemütliche Zugerscheinungen verursachen. Auch bei bestimmten Wind-Luftdruckverhältnissen kann es aus Steckdosen in Hochlochziegeln, Vorwandinstallationen im Bad, Abdeckleisten auf Panelen, Durchdringungen von Schornsteinen und Rohren, u.a.m. ziehen. Übersteigt der Luftstrom eine bestimmte Geschwindigkeit oder/und unterschreitet der Wind eine bestimmte Temperatur wird es sehr ungemütlich.

Luftundichtheiten haben aber nicht nur starken Einfluss auf die empfundene Behaglichkeit, da unerwünschte Abkühlungen einzelner Körperteile auftreten können. Sie besitzen auch das Potential Bauschäden zu verursachen. Immer dann, wenn warme Raumluft durch solche Undichtheiten im oberen Teil des Hauses abströmt, besteht die Gefahr der Durchfeuchtung von Dämmschichten. Das bringt die Feuchtelast der abströmenden warmen Raumluft mit sich. Um Luftundichtheiten aufzuspüren, wird eine Vorrichtung gebraucht, die einen hohen Über- oder Unterdruck im Wohnhaus erzeugen kann. Mit Hilfe von Nebel oder Strömungsmessgeräten können die Lecks lokalisert werden. Die Messmethode wird auch "blower door" genannt.
#Raumluftfeuchtigkeit

Ein weiterer Einflussfaktor ist die Raumluftfeuchtigkeit. Sie ist meiner Meinung nach im Winter immer mehr oder weniger an Behaglichkeitsstörungen beteiligt. Zu feuchte Luft (oberhalb etwa 55% relative Luftfeuchte) führt zum Nass-Kalt-Gefühl, das von den Bewohnern meist durch Temperaturerhöhung der Raumluft kompensiert wird. Eine eher schwülwarme Raumluft führt aber durch Abkühlung an schwach gedämmten Wänden zu Schimmelbildung. Es hilft nur, die Raumluftfeuchtigkeit zu senken. Die häufig schuldig gesproche "trockene Heizungsluft" gibt es nach meinen Erfahrungen nicht.
#Mein Fazit
- Um Behaglichkeitsstörungen zu beseitigen, ist die Ermittlung der Ursachen von großer Bedeutung.
- Helfen kann eine Wärmbildkamera, die die Temperaturverteilung sichtbar macht, wodurch die Quelle des Unbehagens gefunden werden kann.
- Sind die Ursachen von thermisch bedingten Behaglichkeitsdefiziten ermittelt, können kurzfristige Maßnahmen, wie z.B. das Umstellen der Möbel, oder langfristige Maßnahmen, wie z.B. der Einbau von neuen Fenstern, in Angriff genommen werden.
- Keinesfalls sollte man windigen Anbietern von zweifelhaften Lösungen zur Verbesserung der Behaglichkeit auf den Leim gehen, unsinnige und im Gebrauch teure Produkte (z.B. Luftbefeuchter, elektrische Strahlungsheizköper) zu kaufen.
- Ich möchte helfen, einfache und nachhaltige Entscheidungen zur Beseitigung von Behaglichkeitsstörungen zu treffen. Dazu beschäftige ich mich im Folgenden ausführlich mit den Faktoren, die die thermische Behaglichkeit zum Positiven beeinflussen können.