Relative und absolute Luftfeuchtigkeit
Kenntnisse über die relative und absolute Luftfeuchtigkeit spielen bei der Herstellung eines gesunden und behaglichen Wohnraumklimas eine wichtige Rolle.
Welche Luftfeuchtigkeitswerte sind für ein optimales Wohnraumklima einzuhalten? Beeinflusst Luftfeuchtigkeit die Entstehung von Bauschäden? Woher kommt Luftfeuchtigkeit überhaupt? Ich werde mich diesen Fragen später widmen. Ich möchte Sie zunächst mit den in der Bauphysik häufig genutzten Begriffen „absolute Luftfeuchtigkeit“ und „relative Luftfeuchtigkeit“ vertraut machen. Wer die Zusammenhänge kennt, kann ableiten, ob es Sinn macht, bei Regen zu lüften oder besser nicht. Auch die Ursachen von feuchten Stellen und Schimmelpilz werden erkannt und man wird gezielt und nachhaltig dagegen vorgehen können.
Wir wissen bereits, das Wasserdampf in der Wohnraumluft je nach Temperatur, Jahreszeit und Nutzung in unterschiedlicher Menge vorhanden sein kann. Allerdings verwirrt es, wenn mal der absoluten Gehalt an Wasserdampf angegeben wird, an anderer Stelle aber eine relativen Größe in Prozent erscheint oder, ganz allgemein, nur von Luftfeuchte die Rede ist. Warum zwei unterschiedliche Bezeichnungen für ein und die selbe Sache?
„Absolut“ meint hier ganz sicher nicht den, dem einen oder anderen Leser vielleicht bekannten Premium Wodka, obwohl hochprozentiger Alkohol z.B. auch in der Anwendung auf den betreffenden Stellen gegen Schimmel helfen kann.
- Absolute Luftfeuchtigkeit
- Als absolute Luftfeuchtigkeit wird die im Betrachtungsmoment vorhandene Ist-Menge von Wasserdampf in der Raumluft, ausgedrückt in Gramm Wasser pro Kubikmeter, bezeichnet.
In einem Kubikmeter Raumluft ist eine absolute Luftfeuchtigkeit von 10,4 Gramm Wasser enthalten. In der Luft des Raumes, der eine Grundfläche von 20 Quadratmetern und eine Raumhöhe von 2,5 m besitzt, sind demnach insgesamt 520 Gramm Wasser als Wasserdampf enthalten (20 x 2,5 x 10,4 g) sind. Das ist also etwas mehr als ein halber Liter Wasser.
Sprechen wir hingegen von „Relativ“, meinen wir einen „Anteil von“ bzw. „Anteil an“, oder setzen etwas in „Bezug auf“ bzw. in „Relation zu“. Dafür geben wir einen Prozentwert an.
- Relative Luftfeuchtigkeit
- Wird von der relativen Luftfeuchtigkeit gesprochen, ist der Anteil der momentan vorhandenen Wasserdampfmenge bezogen auf die im Sättigungszustand maximal mögliche Wasserdampfmenge, ausgedrückt in Prozent, gemeint.
Das ist gleichbedeutend mit dem Verhältnis der absoluten Luftfeuchtigkeit in g/m³ (Istwert) zur Sättigungsmenge in g/m³ (Maximalwert) . Da der Sättigungswert temperaturabhängig ist, muss demnach auch die relative Luftfeuchtigkeit von der Temperatur abhängig sein.
Mit anderen Worten: Wird eine relative Luftfeuchtigkeit, z.B. von 60% bei 20°C Raumtemperatur angegeben, befindet sich in der Luft eine Wasserdampfmenge, die 60% des Sättigungswertes (100%) bei 20°C entspricht. Der Wert der relativen Luftfeuchtigkeit ist also nur bei Angabe der zugehörigen Temperatur aussagekräftig (Wir erinnern uns: Warme Luft kann viel, kalte Luft nur wenig Wasserdampf enthalten).
Die folgende Tabelle und das darunter fortgeführte Beispiel sollen den Zusammenhang zwischen relativer bzw. absoluter Luftfeuchtigkeit verdeutlichen:
Bei 20°C Lufttemperatur (linke Spalte) ist die Luft gesättigt, wenn 17,3 Gramm Wasserdampf pro Kubikmeter Raumluft (rechte Spalte, 100%) enthalten sind. Die relative Luftfeuchtigkeit beträgt bei diesem Luftzustand also 100%. Würden sich dagegen z.B. nur 10,4 Gramm Wasser pro m³ in der 20 °C warmen Luft aufhalten, beträgt die relative Luftfeuchtigkeit nur 60% des maximal möglichen Wertes von 17,3 g/m³ (10,4 dividiert durch 17,3). In diesem Zustand könnte die Luft also noch 6,9 g Wasserdampf bis zur Sättigung aufnehmen. Erst dann wäre der Platz in der 20°C warmen Luft für die Aufnahme von weiteren Wasserdampfmolekülen aufgebraucht.
Nun, das war jetzt nicht ganz einfach. Doch keine Angst, durch eine Art neue Relativitätstheorie müssen wir uns nicht kämpfen. Beim Durchdenken des Beispiels ist sicher aufgefallen, dass wir in den Beispielen immer von 20°C warmer Luft ausgegangen waren. Wie aber ist das jetzt bei 15°C oder 25°C? Was passiert also mit der absoluten bzw. relativen Luftfeuchtigkeit, wenn wir z.B. 20°C warme Luft abkühlen oder erwärmen? Die Antwort darauf finden wir leicht in der Praxis und weniger durch akademisches Gedankenspiel.
Prinzipdarstellung Kondensatbildung bzw. Tauwasserausfall
Die Abkühlung von Raumluft findet im Winter bei nicht so gut gedämmten Häusern an vielen Stellen der Wohnung statt. So kühlt sich warme Raumluft an der kalten Scheibe eines Fensters, an Wärmebrücken, vor allem aber an kalten Außenwänden ab (zugegeben, die Wärmedämmung der Außenwand in der Abbildung ist sehr schlecht, was für Gebäude der 1960 er Jahre aber durchaus typisch ist). Verändert sich durch Abkühlung die Wassermenge der Luft? Es verändert sich die Wassermenge in der Raumluft solange nicht, bis die für die niedrigere Temperatur geltende Sättigungsmenge erreicht wird. Bis dahin bleibt die absolute Luftfeuchtigkeit gleich. Die relative Luftfeuchtigkeit steigt jedoch bei Abkühlung der Raumluft nach und nach an, bis temperaturabhängig die 100%-Marke erreicht ist.
Eine Erwärmung der Raumluft, auch der zufließenden Kaltluft, erfolgt
- durch die Heizung,
- an bereits warmen Bauteilen (z.B. einer Innenwand, am Fußboden, der Decke),
- an den Möbeln,
- am menschlichen Körper (etwa 37°C),
- durch Zustrahlung der Sonne und
- durch die Abwärme von elektrischen Geräten (Fernseher, Beleuchtung, Netzteile, Computer u.a.).
Die absolute Luftfeuchtigkeit steigt durch die Erwärmung der Raumluft nicht an, es kommt bei reiner Erwärmung ja kein Wasserdampf hinzu. Die relative Luftfeuchtigkeit jedoch sinkt, da mit steigender Temperatur die maximal mögliche Wasserdampfmenge zunimmt.
Um eine eher experimentell gestützte Erklärung zu finden, benötigen wir Informationen über die Höhe der relativen Luftfeuchtigkeit bei Temperaturänderungen. Wir benötigen ein spezielles Messgerät, das die relative Luftfeuchtigkeit bei verschiedenen Temperaturen anzeigt. Ein solches Messinstrument wird Hygrometer genannt. Der Funktion und Auswahl von, bzw. dem Umgang mit Hygrometern habe ich einen eigenen Abschnitt gewidmet (Hilfreiche Hygrometer). An dieser Stelle gehe ich davon aus, dass wir ein solches Hygrometer zur Verfügung haben und auch sicher damit umgehen können.
Betrachten wir verschiedene Beispielszenarien:
- Im Schlafraum herrscht eine Lufttemperatur von 20°C. Das Hygrometer zeigt eine relative Luftfeuchtigkeit von 60% an. Draußen haben wir seit Tagen eine Temperatur von -10°C, die relative Luftfeuchtigkeit draußen kennen wir nicht. Bei dieser niedrigen Außentemperatur stellt sich auf der Innenseite der Außenwand (Bauweise 1960) etwa eine Temperatur von 7°C ein. Aus der Tabelle über den Zusammenhang zwischen absoluter und relativer Luftfeuchtigkeit entnehmen wir, dass bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 60% ca. 10,4 g Wasser in einem Kubikmeter 20°C warmer Luft gelöst sind. Nun kühlt sich die 20°C warme Luft unmittelbar über der Wandoberfläche jedoch auf 7°C herab, wodurch die Sättigungsgrenze auf 8 g/m³ sinkt. Auf der Wand bildet sich Kondensat, weil die Sättigungsgrenze überschritten wird. Die Luft muss etwa 2,4 g/m³ Wasser (10,4g/m³ minus 8g/m³) loswerden, die Wand wird feucht.
- Nehmen wir an, dass auch im Wohnraum eine Lufttemperatur von 20°C herrscht. Die relative Luftfeuchtigkeit beträgt 60% (Hygrometer!), was einem Wassergehalt von 10,4 g pro m³ Raumluft entspricht. Draußen haben wir aber nun eine Temperatur von 0°C. Bei dieser Außentemperatur stellt sich auf der Innenseite der Scheibe des Wohnzimmerfensters (modernisiert 1990) etwa eine Temperatur von 15°C ein. An der Scheibenoberfläche kühlt sich die 20°C warme Luft also auf 15°C ab, wodurch die Sättigungsgrenze auf 13 g/m³ sinkt. Auf der Scheibe bildet sich aber kein Kondensat, da trotz der Abkühlung der Raumluft die Sättigungsgrenze höher ist als die absolute Luftfeuchtigkeit von 10,4 g/m³.
- Im Bad haben wir eine Raumlufttemperatur von 25 °C. Da wir auch hier ein Hygrometer aufgehängt haben, kennen wir die relative Luftfeuchtigkeit. Sie beträgt ebenfalls 60%. Der Tabelle entnehmen wir, dass bei diesem Wert die Raumluft einen Wassergehalt (= absolute Luftfeuchtigkeit) von 13,8 g/m³ haben muss. Aber auch hier kühlt sich die Luft an der Fensterscheibe auf 15°C ab. Da die Sättigungsgrenze (=100% relative Luftfeuchtigkeit) der 15°C warmen Luft nur bei 13 g/m³ liegt, hat die Luft einen Wasserüberschuss. Es entsteht Tauwasser auf der Scheibe. Es bilden sich winzig kleine Tröpfchen Wasser, die zu größeren Tropfen zusammenlaufen und auf der Scheibe herabrinnen. Irgendwie muss die sich abkühlende Luft ihr überschüssiges Wasser los werden.
- Erneut betrachten wir die Ausgangssituation im Wohnraum, in dem die Luft eine Temperatur von 20 °C hat, die relative Luftfeuchtigkeit wird mit 60% angezeigt. Draußen beträgt die Temperatur 5°C, jetzt regnet es schon seit längerer Zeit einen feinen Landregen. In einer solchen Situation liegt die relative Luftfeuchtigkeit der Außenluft bei knapp 100%. Wir möchten lüften, um die Luftfeuchtigkeit im Wohnraum abzusenken, stellen uns aber die Frage, ob dies bei diesem Wetter Sinn macht. Schauen wir uns an, was passieren würde. Wir öffnen das Fenster weit und lassen es für 5 min geöffnet. Die Luft wird dabei im Raum komplett ausgetauscht. Danach kann sich die eingeflossene, 5°C kühle Außenluft in wenigen Minuten wieder durch Heizung, noch warmen Wänden und Mobiliar auf 20 °C erwärmen. Was aber zeigt uns nun das Hygrometer für eine relative Luftfeuchtigkeit an? 5°C kalte Außenluft hat bei Regen (100% Luftfeuchtigkeit, Sättigung) etwa eine absolute Luftfeuchtigkeit von etwa 7 g/m³. Lassen wir diese Luft in den Wohnraum einströmen und sich erwärmen, sinkt die relative Luftfeuchtigkeit, wie wir am Hygrometer beobachten, auf etwa 40%. Da sich die absolute Luftfeuchtigkeit, also die enthaltene Wassermenge von 7 g/m³, durch die Erwärmung nicht geändert hat, haben wir also trotz Regen eine trockenere Raumluft als vor dem Lüften.
Aber warum haben wir überhaupt Feuchtigkeit in der Raumluft? Wo kommt das Wasser her? Versetzen wir uns einmal in einen Wassertropfen.