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Wasserdampfdiffusion in wärmegedämmten Konstruktionen

03.02.2020 | von: now | Kategorie: Bauphysik, Wasserdampfdiffusion

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Den Vorgang der Wasserdampfdiffusion verstehen und anwenden auf Schichtenfolge und Materialauswahl in wärmegedämmten Konstruktionen

Mit der so genannten Wasserdampfdiffusion haben wir auf der Baustelle und in der Nutzungszeit eines Wohngebäudes häufiger zu tun, als uns bewusst wird. Der Vorgang spielt z.B. eine Rolle, wenn wir über Lüftung sprechen, der Taupunkt diskutiert wird oder die Auswahl und Lagebestimmung einer Dampfbremse ansteht.

Im Begriff wird der Vorgang bereits beschrieben. Wasserdampf, also gasförmiges Wasser, diffundiert, und zwar durch Bauteile bzw. Baustoffe, die Diffusion zulassen. Dazu gehören Außenwände, Decken, Dämmungen im Dachgeschoss, u.a.m.. Glasscheiben lassen keine Diffusion zu, wohl aber die meisten Rahmenmaterialien von Fenstern und Türen.

Die Wasserdampfdiffusion ist abhängig vom Diffusionswiderstand der Baustoffe. Abb.: Impulsprogramm Hessen
Die Wasserdampfdiffusion ist abhängig vom Diffusionswiderstand der Baustoffe. Abb.: Impulsprogramm Hessen

Wir können die Wasserdampfdiffusion verstehen, wenn wir uns den Vorgang als eine „Wanderung“ der Wasserdampfmoleküle von einem Ort großer Konzentration zu einem Ort mit geringer Konzentration vorstellen. Da Wasserdampfmoleküle  im Gegensatz zu den Molekülen sonstiger Luftbestandteile sehr klein sind, ist der Vorgang der Wasserdampfdiffusion nicht an einen Luftaustausch gebunden. Die kleinen Wasserdampfmoleküle können daher auch durch luftdichte Bauteile, wie Putz und Mauerwerk, Gipskarton, Holz, Kunststoffrahmen oder Schaumpolystyrol „wandern“. Der Vorgang vollzieht sich so lange, bis der Konzentrationsunterschied ausgeglichen ist. Dieser ausgeglichene Zustand wird im Winter aber nicht erreicht, weil in Innenräumen immer wieder neuer Wasserdampf hinzukommt (Atmung, Wäsche trocknen, Essen kochen, Blumen gießen). Infolgedessen hört die Diffusion im Winter niemals auf.

Die Geschwindigkeit, mit der sich der Ausgleich vollzieht, ist materialabhängig. Sind die Strukturen des Materials „grobmaschig“, wie z.B. bei Mineralwolle, kann sie der Wasserdampf leicht und rasch durchdringen. Bei engmaschigem Material, z.B. bei Beton, wird der Diffusionsvorgang gebremst, d.h. es gelangen nur wenige Moleküle sehr langsam auf die andere Seite der Konstruktion. Um den Vorgang zu steuern, können Dampfbremsen in gedämmten Konstruktionen eingesetzt werden (dazu mehr im Artikel Dampfbremse, Diffusion und Luftdichtheit).

Im Winter vollzieht sich dieser für uns unsichtbaren Vorgang in der Regel von innen nach außen, da sich in der warmen Raumluft mehr Wasserdampf befindet als in der kühlen Außenluft.

Um die Wasserdampfdiffusion verstehen zu können, muss man sich auch vergegenwärtigen, dass die von der Luft bzw. von Bauteilen aufnehmbare Menge gasförmigen Wassers temperaturabhängig ist. Steigt die Temperatur, kann mehr Wasserdampf aufgenommen werden. Fällt die Temperatur, wird Wasserdampf bei bestimmten Bedingungen in Form von Tröpfchen ausgeschieden. Dieses Phänomen wird sichtbar, wenn der Spiegel beschlägt, sich Tröpfchen auf einer Glasscheibe bilden oder wenn eine kalte Außenwand von innen feucht wird.

Nicht erkennbar ist für uns eine Tröpfchenbildung innerhalb der Baustoffe bzw. Bauteile, z.B. einer Außenwand. Sie ist in der Regel nur möglich bei winterlicher Beheizung. Denn nur dann, wenn sich die Temperatur innerhalb der Wand von innen nach außen stark verringert, kann die Sättigungsgrenze erreicht werden. Das ist eine Situation, bei der die Anzahl der noch gasförmigen Moleküle so groß wird, dass sie sich, abhängig von deren Temperatur, zu Tröpfchen zusammenschließen.

Wasserdampfdiffusion ist materialabhängig

Wasserdampfdiffusion durch verschiedene Außenwandkonstruktionen, Abb.: Impulsprogramm Hessen
Wasserdampfdiffusion durch verschiedene Außenwandkonstruktionen, Abb.: Impulsprogramm Hessen

Wie wir bereits wissen, kann Wasserdampf verschiedene Materialien unterschiedlich gut passieren. Ausdruck dieser Abhängigkeit ist die materialspezifische, aber dimensionslose Dampfdiffusions-Widerstandszahl μ (my). Ist die Widerstandszahl des Baustoffes groß, werden nur wenige Dampfmoleküle hindurch gelassen und umgekehrt. In der Baupraxis hat zusätzlich die Schichtdicke der Baustoffe eine Bedeutung. Die Dampfdiffusions-Widerstandszahl und die Schichtdicke bilden, durch Multiplikation verbunden, den Dampfdiffusionswiderstand. Er wird in Meter angegeben. Je kleiner der Diffusionswiderstand ist, umso rascher erfolgt der Konzentrationsausgleich des Wasserdampfes.

Hat z.B. eine Unterspannbahn im Dach einen sehr geringen Diffusionswiderstand von 0,05 m, sprechen wir von einer dampfdiffusionsoffenen Bahn. Ist der raumseitige Dampfdiffusionwiderstand einer Wärmedämmung im Dach dann auch nur höchstens 5 m (also 100 mal so groß), sprechen wir von einer diffusionsoffenen Konstruktion. Diffusionsoffene Konstruktionen weisen eine hohe Fehlertoleranz auf, was von großem Vorteil ist.

Allerdings ist die Dampfdiffusions-Widerstandszahl µ auch abhängig vom Feuchtegehalt des Baustoffes. Sie wird in Übersichten, so auch auf dieser Seite im Abschnitt Bau- und Dämmstoffe, für trockene Bedingungen (rel. Luftfeuchte < 50%) angegeben. Dies ist in vielen Anwendungsfällen aber nicht praxisgerecht. Im Winter liegt die relative Luftfeuchtigkeit in Wohnräumen ohne Lüftungsanlage, aber bei Zentralheizung und dichten Fenstern, meist über dem Wert von 50%. Bei höheren Feuchtigkeitswerten steigt auch der Diffusionswiderstand.

Wenn im Winter durch Diffusion Wasserdampf nach außen „auswandert“, wird es auf der Innenseite trockener. Eine spannende Frage ist nun, ob dieser Trocknungsvorgang ausreicht, um die Luftfeuchtigkeit im Inneren wirklich nennenswert zu reduzieren. Das ist nach neueren Erkenntnissen nicht der Fall. Noch vor wenigen Jahren glaubte man, das der Diffusionsvorgang die Raumluftfeuchte auf ein vertretbares Maß reduzieren kann. Heute ist unumstritten, das der Luftaustausch eine weitaus wichtigere, quantitativ bedeutendere Rolle spielt.

In der Bauphysik hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der mit Luftaustausch (Stichwort: Luftdichtheit) verbundene Transport von Wasserdampfmolekülen meist einen quantitativ höheren Stellenwert einnimmt, als die Wasserdampfdiffusion. Mit anderen Worten: Die Bedeutung der Wasserdampfdiffusion für den Feuchtehaushalt im Wohnraum wurde in der Vergangenheit überschätzt.

Zu beachtende Regeln

Wasserdampfdiffusion verstehen heißt, einige Grundregeln abzuleiten und zu beachten. Bei mehrschichtigem Aufbau von Bauteilen (z.B. bei einer angebrachten Außenwanddämmung) sollte der Dampfdiffusionswiderstand der Schichten von innen nach außen (d.h. von der warmen zur kalten Seite) hin abnehmen. Dadurch wird eine zu große Tauwasseranreicherung im Bauteil von vornherein vermieden. Bei unklarem Verhalten ist eine Berechnung der Tauwasserausscheidung und Trocknung nach zugelassenen Berechnungsmethoden sinnvoll.

Um die Diffusion zu bremsen oder zu unterdrücken (z.B. zur Verhinderung der Durchfeuchtung von Dämmschichten bei einer Innendämmung), kann eine Dampfbremse eingesetzt werden. Sie wird immer auf der warmen Seite der Konstruktion angebracht. Deren dampfbremsende Wirkung sollte jedoch niemals so hoch sein, dass eine Rücktrocknung zum Raum unmöglich wird.

Fehler, die bei der Planung von Dampfbremsen gegen übermäßige Dampfdiffusion gemacht werden, wirken sich meist geringer aus, als Mängel, die bei Ausführung der Luftdichtheit der Dampfbremsebene zugelassen werden. Mehr dazu finden sie im Artikel Dampfbremse, Diffusion und Luftdichtheit.

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