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Luftqualität und optimale Luftwechselrate

06.03.2020 | von: now | Kategorie: Lüften

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Wie der Kohlendioxid- und Wasserdampfgehalt den Mindest-Luftwechsel bestimmt, Höhe der Luftwechselrate, Selbstentlüftung und Führungsgrößen 

Ziel der Lüftung von Wohnräumen ist der Austausch so genannter „verbrauchter“ Luft gegen Frischluft. Bei der „verbrauchten“ Luft handelt es sich um Raumluft, die gegenüber Frischluft einen erhöhten Anteil Wasserdampf und Kohlendioxid besitzt. Ich setze das Wort „verbraucht“ in Anführungsstriche, weil es zu einem kritischen bzw. übermäßigen Verbrauch von lebensnotwendigem Sauerstoff in Wohnräumen eigentlich nicht kommt. Jedoch kann ein erhöhter Kohlendioxidanteil in der Atemluft zu Kopfschmerzen und Konzentrationsmängeln führen. Außerdem wirkt sich eine zu hohe Wasserdampfkonzentration der Raumluft direkt negativ auf die empfundene Behaglichkeit aus („schwül“) und erhöht das Bauschadensrisiko (Schimmel). Es geht also primär um die Abfuhr von Problemstoffen, nicht um die Zufuhr von Sauerstoff.

Neben Kohlendioxid und Wasserdampf kann die „verbrauchte“ Luft auch weitere problematische Stoff enthalten, die sich z.B. aus Verbrennungsprozessen (Einzelofen, Kerzen) oder/und Ausdünstungen (Lösungsmittel, Bodenbeläge, Farben, Möbel, Duftkerzen, Reinigungsmittel u.a.m.) ergeben (siehe Luftschadstoffe). Anzustreben ist daher ein Luftwechsel, der situationsabhängig immer genügend Kohlendioxid, Wasserdampf und diverse Luftschadstoffe (VOC) abführt und durch frische Außenluft ersetzt. Je nach Wohnbedingungen (Raumgröße, Einrichtung, Bauphysik) und Raumnutzung (Zahl der Nutzer, Arbeiten, Lesen, WC, Bad) ist dabei eine bestimmte Mindestanzahl von Luftwechseln pro Stunde erforderlich, die die Fachleute Luftwechselrate nennen.

Die Luftwechselrate beziffert, wie oft die Luft in einem Raum pro Stunde komplett ausgetauscht wird. Optimal ist die Luftwechselrate dann, wenn gerade soviel Luft ausgetauscht wird, dass bei minimalem Wärmebedarf die Atemluft situationsgerecht hygienisch einwandfrei ist. 

Die Luftwechsel können zumindest im Winter durch das Öffnen der Fenster herbeigeführt werden. Allerdings ist dabei auf ein häufiges (mindestens 5mal täglich), im Winter kurzes (5 Minuten) und intensives (mit weit geöffneten Fensters) Lüften zu achten. Auf die sogenannte natürliche Lüftung ist im Winter bei dicht schließenden Fenstern und Zentralheizung kein Verlass. Das gilt auch für die Sommermonate, da hier die geringen Temperaturunterschiede kaum Druckunterschiede verursachen und eine Thermik nicht in Gang kommt.

Mechanische Lüftungsanlage: Abluftventilator, geöffnete Box
Mechanische Lüftungsanlage: Abluftventilator, geöffnete Box

Da sich die Randbedingungen im zu lüftenden Raum (Personen, Aktivität, Druck- und Temperaturverhältnisse) stetig ändern können, wäre eine einstell- bzw. regelbare Luftwechselrate wünschenswert, die bei allen Witterungsverhältnissen funktioniert. Das ist jedoch nur mit einer mechanischen Lüftungsanlage möglich. Diese wechselt die Luft z.B. nach der Höhe der Luftfeuchtigkeit oder der Kohlenstoffdioxid-Konzentration aus. 

Die Meinungen über die Anzahl der notwendigen Luftwechsel zur Sicherung einer bedarfsgerechten, hygienischen Luftqualität gehen etwas auseinander. Überwiegend wird darauf orientiert, dass die Luft in einem normal genutzten Wohnraum etwa alle 1 bis 2 Stunden komplett ausgetauscht wird. Dies entspräche dann einer Luftwechselrate von 0,5/h bis 1/h. Die hygienische Mindest-Luftwechselrate wird im allgemeinen mit 0,3/h angegeben.

Bezogen auf eine Person, bestimmen die anerkannten Regeln der Technik (DIN-Normen) einen Frischluftbedarf von 30 m³/h bei einfacher Tätigkeit. Bei einem 25 m² großen Raum entspricht dies etwa einem notwendigen Luftwechsel von 0,5/h.

Höhere Luftwechselraten werden manchmal unter dem Gesichtspunkt der intensiven Abfuhr von Luftschadstoffen empfohlen. Der wirksamste Schutz vor Luftschadstoffen ist primär jedoch nicht ein verstärkter Luftaustausch, sondern die Vermeidung und Beseitigung solcher Freisetzungsquellen.

Luftwechselrate bei Selbstentlüftung

Bei Vorhandensein einer Einzelofenheizung und älteren, undichten Fenstern ist das Erzielen hygienischer Luftwechselraten auf natürliche Weise im Winter meist kein Problem. Im Gegenteil: Infolge der Undichtheiten und des Zugpotenzials des Schornsteins liegt bisweilen ein bis zu 5-facher Luftwechsel pro Stunde vor – das ist deutlich mehr Selbstentlüftung als notwendig. Bei neuen dichten Fenstern und Zentralheizung funktioniert die Selbstentlüftung dagegen nicht mehr, so dass der Luftwechsel auf Werte unter 0,1/h zusammenbricht. D.h. in zehn Stunden wird die Luft lediglich einmal ausgetauscht! 

Die Selbstentlüftung ist von zahlreichen Faktoren abhängig. So spielt die Dichtheit der Fenster und das Vorhandensein von Einzelöfen, die an Schornsteinen angeschlossen sind, eine Rolle. Einfluss haben die Witterung, die geografische Lage der Wohnung (Windlasten) und die Bauweise (luftdicht oder nicht). Es ist nicht ratsam sich auf Selbstlüftung zu verlassen, die bei heutiger dichter Bauweise kaum, und wegen der geringen Temperaturunterschiede im Sommer gar nicht funktioniert.

Führungsgrößen der Luftwechselrate

Der Kohlendioxid-Anteil der Luft wäre geeignet, die erforderliche Luftwechselrate zu bestimmen, ist die Konzentration von CO2 doch abhängig von Aufenthalt und der Aktivität der Menschen. Allerdings ist die Ermittlung des CO2-Gehaltes der Luft nicht so einfach und aufwändig. Als praktische Leitgröße für den erforderlichen Luftwechsel kann auch der Feuchtegehalt der Luft dienen. Denn die Luftfeuchtigkeit im Raum ist ebenfalls abhängig von der Nutzung (Wasserdampf durch Duschen, Waschen, Kochen, Atmung, Trocknung) und sie ist recht einfach mit einem Hygrometer zu ermitteln. Nicht geeignet ist die meist nach bestimmten Gewohnheiten ausgeführte Fensterlüftung (siehe auch: Lüften lernen!). 

Energieverlust im Winter

Der Luftwechsel bringt selbstverständlich einen Energieverlust mit sich, da die ausgetauschte Luft eine bestimmte Wärmemenge besitzt, und die zugeführte Luft aufgeheizt werden muss. Gelingt es, den Luftwechsel auf das hygienisch erforderliche Maß zu begrenzen, wird auch der lüftungsgebundene Energieverlust (Lüftungswärmebedarf) auf ein Minimum reduziert.

Mein Fazit: Zur Verbesserung der Luftqualität und zur Minderung der Auswirkungen von Luftschadstoffen ist die Raumluft rechtzeitig auszuwechseln. Dazu eignet sich eine ausreichende Fensterlüftung. Besonders wirksam aber ist eine hygieneorientierte, mechanische Lüftungsanlage. Durch sie können Geruchs- und Schadstoffe abgesaugt und über Dach entsorgt werden. Die Frischluftzufuhr kann bei minimalem Wärmeverbrauch, vom Feuchtegehalt der Raumluft abhängig, eingestellt werden.

Weiterführende Links:  https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/pdfs/kohlendioxid_2008.pdf

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2 Gedanken zu „Luftqualität und optimale Luftwechselrate“

  1. Sehr geehrter Herr Nowotka,
    im Rahmen eines gerichtlichen Gutachtens muss ich mich mit zu hohen Luftwechselzahlen in einer Wohnung
    über zwei Etagen befassen. Bei meinen Recherchen bin ich auf Ihre WEB-Seite
    gestoßen und mir gedacht, dass Sie sich mit dem Lüftungsverhalten in Räumen (hier: Wohnungen) intensiv
    befasst haben. Was bedeutet, wenn der Luftwechsel nicht zu gering ist, sondern zu hoch, außer den erhöhten
    Heizkosten. Haben Sie darüber schon einmal nachgedacht?

    In meinem Fall will die beklagte Seite z. B. wissen:

    „Wie wirkt sich eine zu hohe Luftwechselrate in einer Wohnung auf das Luftzugverhalten der Wohnung im Alltag aus?“

    Ich würde gerne Ihre Meinung zu dieser Fragestellung hören woll

    Mit den besten und gesunden Grüßen aus dem Vogtland.

    MfG

    Dr.-Ing. Siegfried Schlott
    Sachverständigenbüro SVB
    Öbuv Sachverständiger für Heiz- und Raumlufttechnik
    Forstweg 9
    08248 Klingenthal
    T.:037467/26084, F.:037467/26085, Mobil:0179/5349320
    Email: s.schlott@dr-schlott.de

    Antworten
    • Hallo Herr Dr. Schlott,
      in Wohnungen über zwei Etagen können oftmals intensive vertikale Luftströmungen beobachtet werden, die die empfundene Behaglichkeit negativ beeinflussen. Ursache ist hier weniger der Luftwechsel im Sinne des Luftaustausches (frische Luft gegen gebrauchte), sondern die Thermik. Sie stellt sich – mit unangenehmen Zugerscheinungen verbunden – im Winter ein, wenn sich erwärmte Raumluft an Außenwand- oder Fensterflächen abkühlen kann. Dadurch wird die Luft schwerer, sinkt über den Zugang zur zweiten Etage nach unten und wird durch Erwärmung an Heizköpern wieder nach oben geleitet. Besonders intensiv ist dieser Vorgang bei großen, manchmal auch über zwei Etagen reichenden Fensterflächen zu beobachten. Es entstehen an kritischen Orten Luftgeschwindigkeiten weit oberhalb von 0,2m/s bis 0,3m/s, die von einigen Personen als äußerst unangenehm empfunden werden. Neben einer sich einstellenden Luftbewegung infolge Thermik durch Temperaturunterschied entstehen Luftströmungen auch durch das Entweichen von Raumluft über Luftleckagen. Dieser Vorgang ist in allen Wohnungen mit mehr als einer Etage, also auch in den meisten Einfamilienhäusern zu beobachten, bei denen die Luftdichtheit im Dachgeschoss mangelhaft ausgeführt wurde. Die Nachströmung kühlerer Luft geschieht über Einströmmöglichkeiten im Unterdruckgebiet (Untere Etage oder Keller) über Türschlitze, Brieflastenklappen, Kelleraufgänge u.a. Wege. Der sich einstellende Luftwechsel kann deutlich über dem erforderlichen hygienischen Maß liegen. Ebenfalls ungünstig auf die Behaglichkeit können sich Luftbewegungen auswirken, die von Be- und Entlüftungsanlagen ausgehen. Bei mangelhafter Planung können sich Luftströmungen oberhalb der kritischen Luftgeschwindigkeit einstellen, besonders wenn es sich um den Zustrom kühlerer Außenluft bei Anlagen ohne Wärmerückgewinnung bzw. ohne Erwärmung der Zuluft handelt. Auch hierbei kann der sich einstellende Luftaustausch über dem notwendigen Luftwechsel liegen.

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